Ein Interview mit den Machern von FerkelRecords

13.08.2002

 

Könnt ihr ein wenig über euch erzählen? Wer seid ihr, wie seid ihr zu teutoRadio und jetzt zum Start von FerkelRecords gekommen?

Dennis: Ja, mein Name ist Dennis Rohling, ich bin 23 Jahre alt und komme aus der malerischen Stadt Osnabrück. Angefangen habe ich 1999 beim Offenen Kanal Osnabrück mit einer Comedysendung namens "Der etwas andere Wahnsinn". Später wurde daraus die Sendung "Die Kanalratten" und im März 2002 bin ich dann zu teutoRADIO gegangen, weil da noch eine Stelle in der Comedy-Schiene benötigt wurde. "FerkelRecords" ist entstanden, weil Michael und ich Hörspiele produzieren und festgestellt haben, dass diese Hörspiele auch auf dem öffentlichen Markt gut ankommen. Soweit erst mal im Groben.

Michael: Ich heiße Michael Eickhorst, bin 22 Jahre alt und wurde ebenfalls in der "Stadt mit dem gewissen Nichts" (Heinz Rudolf Kunze) "geboren" (Johann Wolfgang von Goethe).

Dennis: Das mit Goethe verstehe ich nicht.

Michael: Es geht darum, banale Worte als gewichtige Zitate bedeutender Persönlichkeiten auszugeben. Und Goethe wird mit Sicherheit irgendwann mal "geboren" gesagt "haben" (Ernst Jünger).

Dennis: Ich (Patrick Holtheuer, 2002) verstehe!

Michael: Derzeit lebe ich aber nicht in Osnabrück, sondern in einem verpekten Dorf, das ein paar Kilometer entfernt ist. Humoristische, satirische oder einfach nur alberne Radio-Beiträge verfasse und produziere ich seit Anfang 1995 für die Sendung "Sonnenstich", die ersten zwei Jahre im Rahmen eines Osnabrücker Krankenhausfunks, dann seit 1997 im Offenen Kanal. Da ich zur Gründerzeit noch zarte 14 war, kann man sich die Qualität der damaligen Sendungen allerdings denken - das würde ich heute keinem mehr zumuten! Als sich im Januar 2002 das Ende von "Sonnenstich" andeutete und mich Dennis gleichzeitig für die "Kanalratten" und teutoRADIO begeisterte, hab ich die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen und bin zu dieser rattigen Sendung gewechselt. Ich habe bisher fünf längere Hörspiele produziert, insofern war "FerkelRecords" die konsequente Weiterentwicklung!

Seid ihr gleichwertige Partner?

Dennis: Nein, nein, ich bin besser. Ein Scherz. Ja, wir sind beide die Geschäftsführer von FerkelRecords. Das ist die rechtliche Seite. Künstlerisch gesehen reichen wir uns wohl auf unterschiedliche Arten das Wasser. Michael ist mehr der Künstler für´s Feinsinnige, Wohltemperierte (Klavier). Ich lasse auch gerne mal den Hammer schwingen. Das tut er auch, aber trotzdem wirkt es noch sehr zart und sensibel-ironisch. Wenn du jetzt nicht die Hälfte so über mich schleimst, wie ich gerade über dich, ist was los!

Michael: Na ja, Dennis ist sicher spontaner und eher der Macher, der die Dinge in Angriff nimmt. In der Hinsicht habe ich eher korrigierende oder beratende Funktion.

Dennis: Und zwar eine sehr gute, möchte ich meinen.

Michael: Allerdings steigert sich der "feine Herr im Anzug" (unbekannt) gerne mal in die eine oder andere Geschichte hinein, so dass es zuweilen meine Aufgabe ist, ihn zu bremsen. Ich stehe da eher fürs Seriöse und Beständige...

Dennis: Moment mal!!!

Michael: Künstlerisch ergänzen wir uns eigentlich auch sehr gut - kaum zu glauben, dass sich ausgerechnet in der kleinen Friedensstadt Osnabrück zwei Gleichgesinnte mit ähnlich schrägem Humor gefunden haben...

Was habt ihr momentan bei FerkelRecords im Programm?

Dennis: Kurz und knapp: Ich bin zur Zeit mit "Kommissar Zufall 1 - Mord an den Städtischen Bühnen" vertreten.

Michael: Mein Hörspiel heißt "Rubikon Revisited", anspielend auf den alten römischen Grenzfluss, durch dessen Überschreiten Cäsar 49 v. Chr. den Bürgerkrieg auslöste. Geschrieben und produziert hab ich das noch in meiner Prä-Kanalratten-Zeit im vergangenen Jahr. Weshalb ich auch sehr froh bin, dass jetzt dank "FerkelRecords" die Möglichkeit besteht, dieses Werk, das mir sehr am Herzen liegt, noch mal einer größeren Gruppe von Hörern zukommen zu lassen - gegen klingende Münze, versteht sich...

Dennis: Natürlich! Nur gegen klingende Münze... (sabbert.)

Wie castet ihr? Bedient ihr euch nur bei teutoRadio?

Dennis: Momentan sieht es so aus, dass wir zum Einen aus Kostengründen auf Bekannte aus unserer Radioszene zurückgreifen, aber auch, weil man mit diesen Leuten eine ganze Menge verbindet.

Michael: Für "Rubikon" habe ich insgesamt 24 Sprecher eingesetzt. Dass das nicht alles Vollprofis sind, versteht sich wohl von selbst. Da bei mir zumindest bisher wirklich der Spaß im Vordergrund stand, habe ich neben den besagten Radio-Leuten auch auf meines Erachtens ausreichend talentierte Freunde, Bekannte und Verwandte zurückgegriffen. Darüber hinaus konnte ich zwei Nebenrollen mit Behinderten besetzen, wenn man so will als "integratives Hörspielprojekt", wobei die beiden im Hörspiel selbst natürlich keine Behinderten sprechen.

Dennis: Er nennt das ganze Projekt "Fair-rückt" (lacht.)

Michael: Jedenfalls hat jeder sein Bestes gegeben und zu einem in meinen Ohren äußerst hörenswerten Ganzen beigetragen. In Zukunft werden es aber wohl weniger Sprecher sein, da werde ich noch stärkeren Wert auf Qualität statt Quantität legen, denke ich. Entscheidend ist, dass wir auch weiterhin mit unseren Stammsprechern eigene Texte einsprechen, wobei ich aber freilich nichts gegen den einen oder anderen prominenten Gastsprecher hätte - denkbar wäre auch eine sprecherische Zusammenarbeit mit anderen kleinen Labels. Wie läuft eine Produktion ab, wie lange benötigt ihr für das Schreiben einer Story bzw. die Erstellung eines Scripts?

Dennis: Mit dem Schreiben tue ich mich sehr schwer, weil ich nebenbei ja auch noch für die wöchentliche Sendung schreiben muss. Die Hörspiele sind sehr zäh, an "Moonquäker" saß ich seinerzeit über ein Jahr am Drehbuch. Ehrlich gesagt, habe ich das Drehbuch in einer Nacht geschrieben, aber die erste Seite war schon ein Jahr vorher fertig. Ich denke und überlege es im Kopf weiter und ordne es immer wieder neu. Und irgendwann - in diesem Fall ein Jahr später - reicht es mir aus für ein ganzes Hörspiel. Dann wird Kaffeee (bitte wieder mit drei "e") aufgesetzt und durchgeschrieben. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich nie ein Storyboard entwerfe. Das heißt, ich plane nicht vorher, was in welcher Szene passieren soll. Bei "Moonquäker" wusste ich folgende Sachen: Jos Fritz kommt zurück, Rakete weg, Zufall muss helfen. Das war alles.

Michael: Eine gute Idee muss auf einen Bierdeckel passen, heißt es beim Film. Also war deine 'ne ziemliche Knalleridee! Und dann?

Dennis: Dann setzte ich mich hin und fange an, all die möglichen Szenen, die ich die ganzen Monate im Kopf habe, ins Spiel zu bringen. Ich habe keinen Plan für Szene 23, in dem steht: "Rainer kommt rein, sieht eine Leiche und erschrickt fürchterlich". Bei mir kommt Rainer einfach nur rein, wenn ich schreibe. Alles weitere ergibt sich dann. Vielleicht sagt er was. Sieht er wirklich die Leiche? Oder ist da doch keine und er macht was anderes? Ich entwickle die Szenen meiner Meinung nach sehr realitätsnah und lasse mich von der Story leiten, die da entsteht. Das ist sehr spannend. Ab und zu gerate ich dann in Sackgassen und muss ein paar Seiten löschen und neu anfangen, deswegen auch mal ein Jahr Arbeit.

Michael: Für "Rubikon" hab ich etwas mehr als drei Monate benötigt. Im Gegensatz zu Dennis schreibe ich aber eher alle paar Tage ein oder zwei Szenen, mehr kann ich auf einmal gar nicht verfassen. Das vorläufige Skript hab ich dann ein paar Leuten zum Gegenlesen gegeben und dann noch mal überarbeitet. Bei dem Hörspiel waren es viele Einzelszenen, die mich fasziniert und inspiriert haben und die ich dann nur noch sinnvoll verbinden musste, während ich für das kommende Werk erstmals ein wirkliches Konzept mit dem voraussichtlichen Inhalt der einzelnen Szenen verfasst hab.

Wie viele Tage wird produziert, bis ein Hörspiel im Kasten ist?

Michael: Insgesamt haben sich die Sprachaufnahmen für "Rubikon" einen guten Monat hingezogen, das ist bei so vielen Sprechern ja auch kaum anders machbar. Das Hörspiel ist eine Mischung aus tatsächlichen Dialogen und einigen mehr oder weniger "komponierten" Szenen, in denen ich bis zu fünf verschiedene Sprecher mischen und aufeinander abstimmen musste - was im Endeffekt aber auch erstaunlich gut klang. Die Nachbearbeitung hat dann noch mal ungefähr einen Monat gedauert und war, abgesehen von einigen Szenen, von denen ich zunächst überhaupt keinen Plan hatte, eigentlich sehr spaßig. Der magische Moment war natürlich das Einfügen des eigens von Puffreis Hartgeld (von der Osnabrücker Hip Hop Gruppe CONGLOM-O) komponierten Soundtracks! Das gab dem ganzen Hörspiel dann noch ein völlig anderes Flair - gerade die Verbindung von Erzähler und Musik fand ich hier sehr reizvoll.

Dennis: Das Einsprechen für die "Zufall-Sachen" hat bisher immer ca. 4-7 Stunden gedauert. Wir haben bisher mit allen Sprechern zusammen eingesprochen und das ganze Hörspiel in einem Rutsch. Nachbearbeitung ist schwierig, schneiden, vertonen, Geräusche und all der ganze Quark, da sitzt man wirklich lange dabei und es nervt auch zeitweilig wie Sau! "Moonquäker" zu schneiden hat geschlagene 2 Monate gedauert. Danach war ich fix und fertig, konnte kein Schnittprogramm mehr sehen. "Mord an den Städtischen Bühnen" ging da schon etwas schneller, aber das Hörspiel ist ja auch kürzer.

Wie wird es jetzt weitergehen, arbeitet ihr noch für teutoRadio und betreibt euer Label nebenbei? Wie sind die Prioritäten verteilt?

Dennis: teutoRADIO wird natürlich bleiben, weil wir dort mehr Möglichkeiten haben uns auszutoben. Ein Hörspiel nimmt ja sehr viel Zeit in Anspruch, die Beiträge in unserer Sendung bei teutoRADIO sind da ja doch noch etwas humaner.

Michael: Die eigenen Hörspiele sind schon das Wichtigste. Aber es dauert eben auch meistens sehr lange, bis man mal wieder was Vernünftiges geschrieben hat. Außerdem bieten kurze, teilweise auch zum Tagesgeschehen produzierte Beiträge noch ganz andere Möglichkeiten, die wir bei teutoRADIO weiterhin voll ausschöpfen wollen. Übrigens bin ich nebenbei auch noch an einer Sendung beteiligt, in der wir Fremd-Hörspiele rezensieren, nämlich der Sendung "Horchposten" (www.sendung-horchposten.de).

Dennis: Wenn Du Fremdwerbung machst, mache ich das auch... Mir fällt nur gerade nichts ein, an dem Du beteiligt bist...

Was für Produktionen sind geplant? Habt ihr eine Roadmap für die nächsten Monate/Jahre?

Michael: Ich schreibe gerade an einer Art Road-Hörspiel (also das akustische Äquivalent zum Road-Movie) namens "Mit Kind und Sülze". Darüber hinaus werden wir wohl "Elmar" neu aufnehmen, ein Kriminalhörspiel, das ich vor zwei Jahren gemeinsam mit Reiner Schengber geschrieben habe. Was in den nächsten Jahren noch von uns zu erwarten ist, vermag ich jetzt noch nicht zu beurteilen. Allerdings sind wir gerade - eher unfreiwillig - dabei eine Art Gegenentwurf zur "Tatort"-Reihe aufzubauen. Während beim "Tatort" immer jeweils ein gleichbleibender Kommissar in verschiedenen Städten ermittelt, haben wir drei Kriminalisten kreiert, die allesamt in Osnabrück ansässig sind: Die Kommissare Atze Adorno, Elmar Herold und Winnie Zufall!

Dennis: Ja, es zeigt sich doch eine gewisse Tendenz (lacht.) Von meiner Seite aus erwarten uns alle noch "Kommissar Zufall 2 - Die Welt ist schon zuviel" (ebenfalls ein Remake), "Kommissar Zufall 4 - Schmuchen" und im Kopf, aber noch nicht konkret ist "Kommissar Zufall - Der Anfang". Dies sollte die Kommissar-Theorie des Kollegen wohl unterstreichen. Außerdem "Verliebt, verlobt, verheiratet, geschieden", welches aber durch den Start von FerkelRecords erst einmal nach hinten geschoben wurde und vielleicht ganz wegfällt.

Möchtet ihr euch in eine bestimmte Schublade stecken lassen, wie z.B. "Comedy" oder werdet ihr noch in andere Gebiete vordringen?

Michael: Ich denke, es wird wohl so laufen, dass wir weiterhin eher amüsant-groteske Hörspiele produzieren, die dann aber durchaus ihre ernsten Momente haben dürfen. Beziehungsweise, wo es wirklich mal gruselig, spannend oder nachdenklich wird. Für ein durchweg ernsthaftes Hörspiel fehlen uns dann auch einfach ausreichend geeignete Sprecher. Und vor allem: Ausreichend ältere Sprecher! Der Großteil unserer Sprecher ist ja doch eher in unserem Alter oder um die 30 - für eine Grusel- oder Krimiserie bräuchte man aber entsprechend prägnante Stimmen für die Nebenrollen, sonst wird es schnell lächerlich. Außerdem sind die meisten "ernsteren" Felder ja schon weitestgehend abgegrast - man will sich ja auch nicht als schlechte "Sinclair"- oder "???"-Kopie verkaufen. Hörspiele unserer Art hingegen sind eher spärlich gesät - da würde mir an vergleichbarem am ehesten noch "Schock" von Rüdiger Grothues einfallen oder "Nick Twisp", aber das ist ja eigentlich auch wieder 'ne andere Richtung...

Dennis: Na ja, die Schublade "Comedy" ist ja nicht die allerschlechteste. Das Problem ist nur, dass heutzutage alles, was das Zwerchfell beansprucht, gleich in "Comedy" katalogisiert wird. Von Didi Hallervorden über Fips Assmussen bis hin zu "Sieben Tage, sieben Köpfe" ist ja alles Comedy. Ich fürchte, dass gerade die Comedyschublade nur schwarz-weiß sieht, es gibt kein grau. Aus dieser Sicht passt mir Comedy als Eigenbezeichnung eher nicht. Andererseits ist das ja auch immer Interpretationssache. Ich erwähne auch ganz gerne noch Satire in einem Atemzug, wenn ich unsere Sachen beschreibe. Satire wirkt hingegen bei uns in Deutschland sehr hochgestochen und wird als das genaue Gegenteil von Comedy angesehen. Aber solange man nicht in der Schublade "Schlecht und bleibt auch so" steckt, ist wohl alles ok.

Welche Ziele habt ihr euch persönlich gesteckt und welche Erwartungen habt ihr? Sagt ihr jetzt "Wir rollen den Markt von hinten auf!" oder lasst ihr es ruhiger angehen und stuft FerkelRecords als Amateur- oder Hobby-Label ein?

Dennis: Hinter FerkelRecords steckt eine ganze Menge Arbeit, persönlicher Ambitionen und Hoffnungen. Natürlich nehmen wir das nicht auf uns, um es als Hobby zu betreiben. Wir haben das Ziel, den Markt ernsthaft zu erobern, unsere CDs irgendwann mal beim Media Markt im Regal liegen zu sehen. Aber das kann dauern. Was aber nicht schlimm ist, wir haben ja alle noch andere Jobs und sind nicht auf Permanenterfolg angewiesen. Das gibt dem Ganzen wieder eine künstlerische Freiheit, die die meisten wohl nicht haben. Da müssen alle drei Monate Skripte abgeliefert werden, die dann auch dementsprechend ausfallen. Wir liefern ein Skript ab, wenn es uns gefällt und es gut ist, und nicht, weil der 1. Januar ist. Dies garantiert eine Inhalts-Qualität, die ich oft bei anderen Dingen auf dieser Welt vermisse, die aber unter dem Zeitdruck der Gesellschaft wohl auch nicht mehr zu erwarten ist. Als Hobby-Label möchte ich uns nicht bezeichnen, dennoch gehen wir die Sache ruhig an, läuft ja nichts weg.

Michael: Amateur-Label passt schon. Wir haben auf jeden Fall vor, dass noch sehr viele Jahre zu machen und uns dabei hoffentlich weiterzuentwickeln und zu steigern. Mein Ehrgeiz liegt eher darin, möglichst perfekte Produktionen abzuliefern, die natürlich auch von möglichst vielen Menschen gehört werden. Reich kann und wird man damit wohl kaum werden. Muss aber auch nicht, ich für meinen Teil lasse das ohnehin erst mal neben dem Studium laufen und werde mal schauen, welche Ausmaße das möglicherweise annimmt. Bis dahin lasse ich alles auf mich zukommen und freue mich über jede Art von Erfolg, wie klein auch immer er sein mag, man ist ja bescheiden. Immerhin sind wir bereits bei den "Satanischen Versen" vertreten, in einem Atemzug genannt mit ??? und TKKG - das ist doch auch schon was!

Dennis: Wenn ich das schon höre, brrr. "Amateur" klingt immer so halbherzig. So abgelutscht und unausgegoren. Ich bin nicht ganz der Meinung, dass es auf uns zutrifft. Zumindest in Zukunft nicht mehr. Ich denke, dass wir den "Rubikon" spätestens mit FerkelRecords überschritten haben.

Ich persönlich finde, dass es das ein oder andere Label gibt, das sich persönlich höher einstuft, als es tatsächlich steht. Habt ihr dazu eine Meinung?

Dennis: Da wird es mit Sicherheit welche geben, so ist es aber doch überall im Leben. Ehrlich gesagt, ob wir dazugehören, weiß ich nicht mal, möchte es auch nicht ausschließen. Es ist natürlich von Vorteil, wenn man an sich und seine Sache glaubt. Dass dieses Verhalten dann gerne mal als Arroganz ausgelegt wird, ist leider so, wird aber nicht zu ändern sein. Ich denke, ein Label steht und fällt mit seinen Produktionen. Europa ist stets nur so gut wie die verkauften Hörspiele. Genau wie FerkelRecords. Wenn ich lese, wie manche "Drei ???"-Folgen ankommen und lese dann die Kritiken zu unseren Hörspielen, dann zeigt mir das sehr genau, dass es nicht auf Labels, sondern auf Inhalte ankommt. Und das weiß der Kunde doch auch.

Michael: Nun, die Grenze zwischen wünschenswertem "vom eigenen Werk überzeugt sein" und hemmungslosem Größenwahn ist sicherlich fließend. Wenn man was Gutes, das man zumindest selber für gelungen hält, hinbekommen hat, dann sollte man das wohl auch offensiv verkaufen. Allerdings steht ein wenig Bescheidenheit einem Nachwuchs-Label recht gut zu Gesicht, denke ich. Vor allem sollte man einfach die große Erfahrung von Labels wie EUROPA und vor allem den Produzenten von Radio-Hörspielen anerkennen - da wäre es schon vermessen, sich selbst als Hörspiel-Gott zu fühlen, bloß weil man zwei oder drei halbwegs brauchbare Produktionen hinbekommen hat. Zu "FerkelRecords" kann ich jedenfalls nur sagen, dass wir in Bezug auf Sprecher, Aufnahmetechnik etc. sicher nicht mit den meisten Etablierten mithalten können (wäre für besagte Etablierte ja auch traurig, wenn wir es könnten) - es stellt sich nur die Frage, ob das überhaupt so wichtig ist, denn dafür bieten wir alles andere als 08/15- oder Routinegeschichten; bei uns steckt Herzblut und Engagement drin! Und das ist, denke ich, auch schon 'ne Menge wert!

Wenn man sich euren Internet-Auftritt anschaut oder das Design eurer Produktionen, dann bekommt man den Eindruck, dass ihr es nicht ganz so ernst meint. Bekräftigt ihr diesen Eindruck oder könnt ihr meine Behauptung entschärfen? Der Name des Label an sich ist ja auch nicht gerade das, was man seriös nennt, was wollt ihr damit erreichen?

Dennis: Natürlich meinen wir die Sache selber ernst. Aber wir sind dann doch nicht spießig genug, um uns "Tonkurier" oder "Klang-Klong" zu nennen. Wie der Name FerkelRecords zustande kommt, ist schnell geklärt. Wir saßen in einem Restaurant, in dem den ganzen Tag nur 50er-Mucke dudelt und dir den letzten Nerv raubt. Um das zu ertragen, muss man trinken! Während wir also tranken, gingen wir noch einige organisatorische Sachen durch. Unter anderem grübelten wir auch mal wieder über einen Namen nach. Ein Bekannter von uns hatte ein paar Monate zuvor einen experimentellen Abend mit Texten und Geräuschen gemacht, der uns nicht mehr aus dem Kopf ging. Seit dem Auftritt redeten wir nur noch irgendwelche Zitate aus dieser Aufführung runter. Am liebsten die absolut Beklopptesten. Unter anderem "Anders als im Märchen, schwimmen muss das Ferkelchen!". Was der Interpret damit auszusagen gedenkt, ist mir bis heute unerklärlich.

Michael: Mir übrigens auch... (lacht.)

Dennis: Auf jeden Fall sagten wir diesen Satz gerne variiert. Beispielsweise beim Einsprechen für die Sendung: Norbert verspricht sich, Michael sagt "Anders als im Märchen, sich versprechen muss das Ferkelchen". Wir saßen also in diesem grauenhaften Restaurant und überlegten einen Namen. Da sagte Michael (wohl eher, um den üblichen Spruch zu formulieren): "Anders als im Märchen, Namen ausdenken muss das Ferkelchen", und besoffen wie ich war sagte ich nur "FerkelRecords", es war zur selben Sekunde auch Michaels Gedanke gewesen. Wir einigten uns darauf, es am nächsten Tag noch mal zu überlegen, falls "FerkelRecords" im nüchternen Zustand nicht ganz so witzig wäre. War es aber auch noch nüchtern betrachtet. So also der etwas seltsam anmutende Name.

Michael: Dem habe ich wenig hinzuzufügen. Was wir ernst nehmen, ist das Verfassen durchdachter Skripte, das Einsprechen und eine möglichst gute Produktion. Was wir sehr ernst nehmen, ist alles Finanzielle und Offizielle (wie z.B., dass jeder Hörer, der sich bei uns eine CD-R bestellt, auch möglichst schnell ein vernünftiges Exemplar zugestellt bekommt). Bei allem anderen dominiert dann doch der Spaßfaktor. Es ist jetzt nicht grade so, dass ich mich zusammenreißen müsste, um hier was halbwegs sinnvolles zu antworten, aber so eine gewisse Ironie ist meistens schon sehr angenehm.

Dennis: Ich denke auch nicht, dass es ganz ohne geht. Es gibt Menschen, die sind grundmuffelig. Denen merkst Du selbst an ihren besten Tagen an, dass sie Muffel sind. Und wir beide sind wohl eher die lockeren Typen, die es lieber haben, wenn mal ein amüsanter Spaß abgeht als wenn man sich stundenlang über Adorno auslässt. Trotzdem sitzen auch wir oft genug zusammen und diskutieren über Probleme und Alltagssachen - es MUSS keineswegs immer komisch sein, DARF aber.

Wird "Kommissar Zufall III - Moonquäker" auch in das neue Design gebracht?

Dennis: Wenn wir mit "Moonquäker" durch sind, ja. Momentan sind wir mit GEMA und anderen Verlägen am aushandeln, zu welchen Konditionen dieses Hörspiel vertrieben werden darf.

Gibt es Personen oder Firmen, die euch stark beeinflussen? Gibt es Situationen, in denen ihr sagt: "Das will ich mit FerkelRecords auch erreichen!" und ihr eifert jemandem nach?

Dennis: Na ja, das Comedy-Hörspiel gibt es ja scheinbar so nicht. Also auch kein Nacheifern. Und mit den Labels kenne ich mich nicht aus. Ich kenne Europa, aber das war es auch schon. Wer da was macht, weiß ich nicht.

Michael: Ich sehe da ein paar Parallelen zum "Meteor"-Label, das ich im übrigen sehr schätze. Da waren es ja auch zwei Typen, die sich gegenseitig gut ergänzt haben und dann gemeinsam ein Label gegründet haben. Einfach aus der Lust heraus, die eigenen - durchaus eigenwilligen und skurrilen - Skripte zu vertonen. Okay, die haben mittlerweile einen höheren Sprecheranspruch und fangen jetzt auch mit Buchvertonungen an... aber wer weiß, vielleicht werden wir uns ja ähnlich entwickeln. Wenn auch eben auf einem inhaltlich anderen Feld.

Dennis: Und wer weiß, was wir in ein paar Jahren machen... Wenn man mir vor zwei Jahren, als ich angefangen habe, gesagt hätte, dass ich heute mein eigenes Label haben werde und Hörspiele schreibe, die außerhalb von Mama, Papa, Oma und Opa noch jemand anderen interessieren, hätte ich das auch nicht geglaubt.

Michael: Immerhin interessieren sich deine Eltern für deine Werke, meine haben noch nie was von mir hören wollen, schluchz... außer natürlich der Nummer, unter der ich 24 Stunden am Tag erreichbar bin, wenn ich mal in Urlaub gefahren bin...

Dennis: Da geht es dann wieder um die elterliche Abnabelung, aber dieses Thema haben wir erst in einem vor Kurzem der Zeitschrift "Psychologie heute" gegebenen Interview behandelt, lass es uns abhaken (lacht.)

Gibt es eine Wunschvorlage, die ihr unbedingt mal vertonen wollt? Vielleicht mit der ultimativen Traumbesetzung?

Dennis: Nein. Es wäre utopisch, über Sprecher zu philosophieren, die wir uns gegenwärtig noch nicht leisten können oder wollen. Wir sind eher darauf bedacht, vernünftige Produktionen abzuliefern als bekannte Sprecher.

Michael: Meine Wunschvorlage ist "Mit Kind und Sülze", basierend auf einem Skript von... mir selber.

Dennis: (lacht.) Mann, bist Du krank!

Michael: Na ja, ich wünschte, ich würde da endlich mal mit fertig werden. Ansonsten mache ich mir über Vorlagen keine allzu großen Gedanken, da wir Entsprechendes derzeit eh nicht geplant haben. Aber falls wir doch mal was vertonen sollten, wird es hoffentlich was einigermaßen originelles und nicht die 32000ste Auflage von "Dracula" oder "Frankenstein".

Dennis: Ich fände es ganz interessant, mal "Frankenstein" oder "Dracula" zu vertonen.

Michael: Du findest es auch interessant, die abgetrennten Klöten deines kastrierten Katers aufzubewahren! Nee, von "Frankenstein" und "Dracula" gibt es schon genug Vertonungen - und besser als die jeweiligen Produkte aus dem "Hörverlag" kriegen wir das eh nicht hin. Schlechter als "Dracula - die Geschichte des berühmten Vampirs" von EUROPA allerdings auch nicht... Mich würde eher so die Richtung Kafka reizen - gibt es eigentlich Hörspiele nach seinen Werken? Was die Traumbesetzung angeht: Das Problem ist, dass ich mir wohl vertraute und potentiell verfügbare Sprecher wie z.B. Andreas von der Meden oder Douglas Welbat nicht wirklich in unseren Hörspielen vorstellen kann - nicht zuletzt deshalb, weil man sie ja auch recht oft hört oder mit bestimmten Rollen in Verbindung bringt. Außerdem möchte ich, frei nach Groucho Marx, keinen Sprecher beschäftigen, der in einer Produktion wie der unseren mitwirken will...

Noch ein paar abschließende Worte?

Dennis: "Anders als im Märchen, interviewt werden muss das Ferkelchen!"

Michael: Nun, es heißt ja: "An ihren Werken sollt Ihr sie erkennen!" Was im Umkehrschluss bedeutet, dass sich der geneigte Hörer bzw. Leser vielleicht mal unsere Werke zulegen sollte, um uns wirklich zu erkennen und möglicherweise zu verteufeln. Man sollte auf jeden Fall mit "FerkelRecords" rechnen... und man sollte besser auch FÜR "FerkelRecords" rechnen, dann stimmen unsere Abrechnungen vielleicht auch mal... Oink!

Dennis: (lacht.)

Ich bedanke mich recht herzlich bei den Machern von FerkelRecords, Dennis Rohling und Michael Eickhorst für die ausführliche Beantwortung meiner Fragen und wünsche ihnen alles Gute für die Zukunft!

Der Link:
FerkelRecords

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