Ein Interview mit Frank Gustavus (Ripper Records)

20.07.04

 

Hallo Frank!

Man muss Dich mittlerweile nicht mehr großartig vorstellen, Fans zählen Dich zu den besten Produzenten für kommerzielle Hörspiele. Stimmst Du dem zu oder findest Du das reichlich überzogen?

Es schmeichelt schon, so was zu hören, aber mal im Ernst: Was und wer ist am besten und warum? Eigentlich ein rein subjektiver Eindruck – jedem gefällt irgend etwas anderes, jeder findet irgend etwas oder irgendwen am besten, eine Frage des persönlichen Geschmacks. Es geht fast immer besser. Bei jeder Produktion werden neue Fehler gemacht, aber es wird auch viel dazugelernt. Wann ist man einer von den besten – wenn man professionell arbeit? Das gehört ja nun mal dazu! 

Du hast mit „Der Vampyr“ nun Dein drittes Werk als Produzent abgeliefert. Bist Du mit dem Ergebnis zufrieden oder hättest Du gerne noch was geändert, kamst aber nicht dazu?  

Als Produzent sehe ich mich zuletzt – vorher kommen Autor und Regisseur. Alle drei Funktionen ergeben für mich zusammen den Hörspielmacher. Aber zur Frage: Ich bin insgesamt zufrieden. Ursprünglich war geplant, die „Vampyr“-Erzählungen in ihrer kompletten Länge ins Hörspiel zu packen, dies hätte aber eine 3-CD-Box erfordert, was sowohl für mich als Finanzier als auch für den Käufer Unsinn, weil zu teuer, gewesen wäre. Die „Vampyr“-Erzählungen erscheinen jetzt nur in Auszügen und reißen die Grundstory nicht zu sehr auseinander, die Geschichten in Gänze folgen dann im Dezember. Der geneigte Hörer kann aus dem Hörspiel dann durch geschicktes CD-Wechseln ein 180 Minuten-Werk machen: Den „Director´s cut“ für Zuhause, sozusagen.

Dies ist die Produktion mit der bisher besten Besetzung, siehst Du das genauso?

Wenn Du meinst, daß die Figuren ausnahmslos mit den für sie passendsten Stimmen versehen wurden, dann stimme ich Dir zu. Im anderen Fall wären wir wieder beim subjektiven „besten“...

Wie bist Du auf diese Sprecher gekommen? 

Andreas Fröhlich, Joachim Tennstedt, Timmo Niesner und Marianne Groß hatte ich von Anfang an auf dem Zettel. Für die Rolle der Mary Shelley (bzw. eigentlich Wollstonecraft-Godwin) brauchte ich eine ziemlich jung klingende Frau, und beim Hören von Sven Strickers „Musketieren“ und „Vor dem Frost“ bin ich auf Anna Carlsson gekommen, die ebenfalls in Berlin lebt, wo ich auch die Aufnahmen machen wollte. Alle Sprecher mußten Berliner sein. Dorette Hugo ist mir empfohlen worden und war/ist dann ja auch genau die zweite junge Frauenstimme, die ich brauchte.  

Hast Du Deine Wunschsprecher bekommen oder musstest Du die eine oder andere Rolle anders besetzen?

 Für die Rolle des Percy Shelley hatte ich eigentlich Torsten Sense im Ohr, nur hat der sich leider voll aufs Musikmachen verlegt und arbeitet gar nicht mehr als Sprecher. Der nächste Kandidat hätte das Budget gesprengt, und dann kam ich glücklicherweise auf einen meiner alten Helden: Santiago Ziesmer, der dann auch wie Faust aufs Auge zu der Shelley-Figur paßte. Ansonsten haben alle Wunschsprecher sofort zugesagt.

Es ist aber keine Eigenkreation, wie es bei „Blackout“ der Fall war. Dir gehen doch wohl nicht die Ideen aus, oder?

Eigentlich nicht, zudem ist „Der Vampyr“ ja auch eine Eigenkreation, zu der erst mal die Idee kommen mußte. Ich habe wieder authentische Begebenheiten als Aufhänger benutzt, weil es mir Spaß macht, mich in Recherchen mit viel Material zu ergehen. Die Figuren können dadurch so wasserdicht wie möglich gemacht werden, man muß keinen „Quatsch“ schreiben. Warum sich eine pseudo-spannende Geschichte ausdenken, wenn das Leben die besten schreibt (wie war das noch gleich mit der Subjektivität?!?)?

Was hat dich am Vampyr gereizt? Immerhin gibt es ja nicht gerade wenige Gruselhörspiele, die sich Vampire zum Thema genommen haben.

Mein „Vampyr“ ist ja – auch wenn man durch den Titel anderes vermuten könnte – kein Gruselhörspiel, es ist mehr ein Doku-Drama. Dabei hat mich hat die Geschichte der Geschichte „Der Vampyr“ interessiert, der Gespenstergeschichten-Wettstreit am Genfer See mit seinen teilweise durchgeknallten Teilnehmern, die Tatsache, daß einer der Gebrüder Grimm in der Erfindung „Frankensteins“ mit drin hing, die Biographie Lord Byrons, das unglaubliche Schicksal Polidoris. Außerdem war es bei der Flut von Vampir-Hörspielen, -filmen und –büchern doch mal ganz interessant, herauszufinden, wie der „Gentleman-Vampir“, der Aristokrat unter den Blutsaugern erfunden wurde. Immerhin war Polidoris „Lord Ruthven“ (aus seiner Erzählung „Der Vampyr“) das Vorbild für Stokers Dracula, und der hat ja so ziemlich alles geprägt (oder auch nicht), was vampirtechnisch danach kam. Außerdem hielt durch den Wiedergänger Lord Ruthven die erotische Komponente Einzug in den Vampyr-Mythos. Ein Ladykiller war plötzlich unterwegs (das hatten wir doch schon mal...) – alles zusammen genommen: Kein schlechter Stoff für eine Geschichte.  

Man kann die Produktion sowohl als Hörbuch mit Hörspielelementen ansehen, als auch als reinrassiges Hörspiel, die Meinungen gehen da auseinander. Als was siehst du es an?

 Als Hörspiel. Bis auf die Auszüge der „Vampyr“-Erzählungen (und selbst die werden im HSP jemandem vorgelesen) wird alles gespielt. Auch die Erzählerstrecken von Andreas Fröhlich als Polidori sind gespielt (und wie!) – kein Zweifel möglich...

 Am Anfang und am Ende hört man immer wieder ein Knistern. Ist dies eine Homage an die „gute, alte“ Schallplatte?

Ein eindeutiges „Ja!“ Wenn es der Geldbeutel und das Nicht-Existieren von CD´s zuließen, würde ich tatsächlich gerne Schallplatten machen.

Wo wird man den Vampyr kaufen können?

Ab August im Buch- und Tonträgerhandel, natürlich auf der RR-Homepage sowie bei allen anderen Web-Hökern. Es ist ja schon unglaublich, wer so alles Hörspiele verkaufen darf... (Dürfen die das?!?)  

Du hast doch mit Sicherheit schon einige Ideen, was als nächstes kommen wird. Willst Du da schon ein wenig verraten?

 Im Dezember kommen erst mal die ungekürzten „Vampyr“-Erzählungen, gelesen von Joachim Tennstedt und Andreas Fröhlich – dann also tatsächlich ein Hörbuch. Danach: Hoffentlich eine Romanadaption, ist aber noch nicht klar, ob´s klappt!  

Stell Dir vor, Du hängst den Produzentenjob an Nagel und „musst“ nur noch als Sprecher fungieren. Da hast Du ja schon einige Erfahrungen gesammelt und Deine Leistungen sind alles andere als schlecht gewesen. Kannst Du Dir eine reine Sprechertätigkeit vorstellen?

 Warum nicht – ich habe ja inzwischen Radio und auch Hörspiel gemacht.

Welche Rolle war bisher Deine beste und wen oder was möchtest Du gerne mal sprechen?

 Am meisten Spaß haben mir der spießige Storch „Manfred Klippklapp“ in „Zwei Störche auf Reisen“ und der grenzdebile „Morduch Halsmann“ in „Willewalle und Hupf“ gemacht. Ansonsten kommen Comic-Tiere immer gut, auch Psychopathen und das gemeine „fiese Schwein“ sind immer gern genommen. Am liebsten aber bei näherem Drübernachdenken einen abgetakelten Detektiv mit hohem Erzähleranteil.  

Wann wird man Dich wieder in einer Rolle hören können?

 Ich bin im neuen „Dracula“ (Anmerkung: Sven Strickers Produktion erscheint beim Hörverlag) dabei.  

Ich bedanke mich für das Interview und wünsche Dir viel Glück für die Zukunft!

Der Link:
Ripper Records

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