Ein Interview mit Sven Stricker

24.10.2002

 

Kannst Du Dich den Lesern vorstellen, wer ist Sven Stricker und was ist Deine Tätigkeit?

Wer ich bin, wüßte ich manchmal auch gerne, aber das führt jetzt zu weit. Meine Tätigkeit ist einfacher zu beschreiben: Ich bin Produzent, Regisseur und Bearbeiter für Hörspiele und Hörbücher.

Für wie viele Produktionen bist Du jetzt schon verantwortlich gewesen?

Als Gesamtverantwortlicher dürfte ich die Hundert mittlerweile hinter mir gelassen haben, wenn ich die Ravensburger Zeit mitzähle. Als Regisseur habe ich vielleicht so zwischen dreißig und vierzig Produktionen gemacht. Vielleicht auch mehr? So richtig gezählt hab ich das eigentlich noch nie, ehrlich gesagt.

Wie läuft für Dich eigentlich ein Produktionstag ab?

Nun, ich stehe morgens auf, frühstücke ... nein, die Frage läßt sich so allgemein schlecht beantworten. Hier muss man auch sehr zwischen Hörbüchern und Hörspielen unterscheiden, und dann ist es die Frage, ob man die Sprachaufnahmen oder die Post Production betrachten will. Auf jeden Fall läuft so ein Produktionstag im Optimalfall so ab, wie ich ihn mir vorher vorgestellt habe. Ich komme bei Hörspielen immer mit relativ festen Vorstellungen ins Studio und versuche diese dann umzusetzen. Dabei muss man aber aufpassen, dass man die Schauspieler nicht blockiert und auch andere Ideen zuläßt. Das gilt ebenso für den Geräuschemacher, wie auch für den Musiker oder den Toningenieur. Wenn ich mit motivierten Leuten arbeiten will, müssen sie auch die Möglichkeit haben, sich selbst einzubringen. Trotzdem muss ich natürlich das Ergebnis dahin lenken, wohin ich es haben will. Hörbücher sind da heikler. Hier geht es nur um die Chemie zwischen zwei Menschen. Und das klappt eben manchmal, und manchmal klappt es auch nicht so gut. Manche Schauspieler wollen stark geführt werden, manche können es gar nicht ab, wenn man als Erstes seine Vorstellungen vermittelt und bieten lieber von sich aus etwas an. Hier muss man sehr psychologisch vorgehen und versuchen, sein Gegenüber schnell auszuloten. Da entscheidet sich oft in den ersten Minuten des Tages, ob der Tag gut wird. Wenn die Stimmung dann aber entspannt ist und gegenseitiger Respekt vorhanden ist, dann läuft es meistens auch.

Welche ist die aktuellste Produktion und was kommt demnächst auf die Fans zu?

Die aktuellste Produktion ist ein Hörbuch, "Darren Shan und der Mitternachtszirkus". Das wird als ungekürzte Lesung beim Hörverlag erscheinen und von Jens Wawrczeck gesprochen. Ich freue mich sehr auf und über die Aufnahmen, aber mit einem weinenden Auge. Darren Shan hätte sich sehr gut für eine Hörspielumsetzung geeignet - aber der lizenzgebende Verlag läßt da keine Möglichkeiten. Was gibt's sonst Neues? Es wird weitere Hörbücher geben, dann ist eine Hörspielserie für das nächste Jahr geplant, aber darüber darf und will ich noch nichts verraten. Außerdem kommt noch die Vertonung einer eigenen Geschichte als Hörspiel. Wann das genau kommt, wird man sehen. Um das Baby kümmere ich mich immer, wenn ich gerade Zeit habe - und die ist eher selten.

Bist Du noch in irgendeiner Form für das Ravensburger-Programm verantwortlich oder liegt das in anderen Händen?

Nein, damit habe ich gar nichts mehr zu tun. Die Produktverantwortlichkeit liegt jetzt bei Universal, in Rücksprache mit RTV. Für die ist Bodo Klose noch am Ball, den kennt Ihr ja noch als Regisseur der Animorphs.

Hast du eine Lieblings-Produktion bzw. eine Lieblings-Serie, sowohl selbst produziert, als auch aus einem anderen Haus?

Meine Lieblingsproduktion ist natürlich die "Schatzinsel" bei den Hörspielen, aber auch "Die Wolke", "Torres" (kennt das irgend jemand?) oder einige der "Penny-Hörspiele" machen mir heute noch großen Spaß. Bei der "Welle" haben die Sprachaufnahmen den meisten Spaß gemacht. Bei den Hörbüchern liebe ich besonders "Für das Beste im Mann" von John O'Farrell und "Wenn ich bei Dir bin" von Linn Ullmann. Außerdem hat der neue Roddy Doyle, "Rover rettet Weihnachten", besonderen Spaß gemacht. Bei Radiohörspielen stehe ich sehr auf den "Herrn der Ringe", "Professor van Dusen" und mit Abstrichen "Der letzte Detektiv"; im kommerziellen Bereich liebe ich die alten "Perry Clifton", die ja bei Maritim neu erschienen sind, und viele alte Abenteuerhörspiele von Konrad Halver, Kurt Vethake oder Christopher Lukas alias Peter Folken. Die hör ich mir immer wieder gerne an. Insgesamt muss ich aber gestehen, dass ich mir neue Produktionen der Kollegen nur noch selten anhöre, ich bin da wieder eher zur Musik übergegangen.

Wie sieht es bei den Sprechern aus, gibt es da einen absoluten Liebling?

Eigentlich nicht, es gibt eher jede Menge davon. Ich bin ja sowieso eher ein Ensemblemensch, wenn man sich die Besetzungslisten meiner Sachen so anschaut. Es finden sich doch oft die gleichen Namen. Das wird ja auch ab und an kritisiert, aber ich mag es einfach, in vertrautem Kreis zu arbeiten. Wenn Du mich aber zwingst, jemanden zu benennen, dann würde ich nach heutigem Stand bei den Männern Andreas Fröhlich und Christian Stark und bei den Frauen Leslie Malton und Céline Fontanges nennen. Aber es gibt wirklich viele, die ich sehr mag.

Gibt es jemanden, mit dem Du unbedingt mal etwas produzieren möchtest oder hast Du Dir schon alle Wünsche erfüllt?

Es ist eher die Frage, ob ich da spezielle Wünsche habe ... eigentlich nicht. Ich passe mich den Gegebenheiten an. Viele Leute, mit denen ich bislang Hörbuch gemacht habe, möchte ich irgendwann noch mal im Hörspiel besetzen, z.B. Leslie Malton oder Dirk Bach.

Mit "Die Schatzinsel" hast Du ja etwas richtig Großes abgeliefert, bist du mit dem fertigen Werk zufrieden oder sagst Du Dir manchmal "Das hätte ich anders oder besser machen können"?

Beides. Ich bin schon ganz zufrieden, vor allem werde ich immer gerne an die Art und Weise zurückdenken, wie das Hörspiel entstanden ist. Das war schon extrem angenehm, da kam fast sowas wie ein Bandgefühl auf, und alleine was Jan-Peter Pflug und Kay Poppe dabei geleistet haben, ist mehr als enorm. Dennoch würde ich wahrscheinlich einige Dinge heute anders machen, es sind auch ein paar kleinere Klöpse drauf, aber ich verrate nicht, was. Okay, eine Sache verrate ich: Ich hatte Kapitän Smollett den Satz ins Skript geschrieben "Ein Hoch auf den kräftigen Spender", was natürlich völlig sinnfrei ist. Es hätte heißen müssen "Ein kräftiges Hoch auf den Spender", was immer noch sprachlich schwach ist, aber wenigstens richtig. Egal, keiner hat irgendwas gemerkt, wir haben das schön so aufgenommen, wie ich es geschrieben hatte, wir haben es bearbeitet, wir haben es gemischt und irgendwann fragte dann der Hörverlag vorsichtig an, was das denn eigentlich bedeuten solle. Das war einer der peinlichen Momente im Leben. Na ja, wir haben das Wort "kräftigen" dann einfach rausgeschnitten, und jetzt sagt Werner Cartano nur noch "Ein Hoch auf den Spender". Funktioniert auch ...

Glaubst Du an den Award (hoerspiel-award.de) für das beste Hörspiel des Jahres? Mit "Die Schatzinsel" hast du ja nun mal einen Volltreffer gelandet.

Ehrlich gesagt glaube ich nicht so recht dran. Die "Schatzinsel" wird vermutlich nicht von so vielen Fans gekauft werden wie so manch andere Reihe. Also werden wohl auch nicht so viele Leute dafür ihre Stimme abgeben. Das Abenteuer- Genre ist ja auch nicht so beliebt wie zum Beispiel der Bereich Horror. Ich freue mich aber über die Nominierungen und würde auch nicht nein sagen, falls es was wird ..."

Es mangelt heutzutage an waschechten Abenteuer-Hörspielen, wirst Du Dich in Zukunft mehr um dieses Genre "kümmern"?

Wenn man mich läßt - sofort! Ich hatte die "Schatzinsel" vor der Bearbeitung nie gelesen und wußte gar nicht, was für eine großartig erzählte Geschichte das ist. Ich denke, da will noch viel mehr Stoff für eine neue Generation wieder entdeckt werden! Es wird für den Hörverlag auch ein neues Abenteuerhörspiel als Schatzinsel- Nachfolger geben, aber das erscheint dann erst im Herbst 2003.

Was wäre für Dich ein Traumprojekt? Was möchtest Du unbedingt mal vertonen?

Ich würde gerne mal die Otherland-Saga von Tad Williams vertonen, als Hörspiel mit mindestens so viel Zeit und Budget, wie es "Der Herr der Ringe" hatte. Und mit mindestens so vielen Folgen. Das wäre ein echtes Traumprojekt. Ansonsten wäre ich gerne der, der eines Tages "Harry Potter" als Hörspiel vertonen darf. Das wird zwar nie passieren (siehe "Darren Shan", dieselben Lizenzgeber), aber ich würde gerne beweisen, dass man das Ganze auch mit der großartigen Ironie der Vorlage und ohne Hollywood- Geigen umsetzen kann.

Noch ein paar abschließende Worte?

Bleibt dem Medium gewogen!

Ich bedanke mich bei Sven Stricker für das Interview!

Der Link:
Stimmart

Zurück