Ein Interview mit Frank Gustavus und Sven Stricker

01.12.2004

 

Ich grüße euch herzlich!

Vorstellen muss man euch sicherlich nicht mehr, durch eure Produktionen habt ihr euch einen Namen gemacht.

Kann man sagen, dass ihr euch auf die Vertonung literarischer Klassiker festgelegt habt?

Frank Gustavus: Muß ich für mich mit „nein“ beantworten! Die bisherigen RR-Hörspiele hatten einen historischen Background, klar, aber es gab keine klassische Romanvorlage. Die in „Der Vampyr oder Gespenstersommer am Genfer See“ angerissenen und in diesem Dezember als Hörbuch erscheinenden „Vampyr-Erzählungen“ sind vielleicht die Klassiker auf die Du Dich beziehst, aber eigentlich sehe ich erst mein nächstes Projekt, Arthur Conan Doyles „Die vergessene Welt“, als meinen ersten echten „Hörspiel-Klassiker“ an, von daher habe ich mich keineswegs darauf festgelegt.

Sven Stricker: Nein, gar nicht. Die Klassiker sind bislang sicherlich noch in der Überzahl, aber „Oskar und die Dame in Rosa“ hatte eine moderne Vorlage, „Vor dem Frost“ auch, und mein nächstes Hörspiel wird ebenfalls ein moderner Stoff sein. Ich mag die alten Klassiker schon sehr, zumal es meistens einen guten Grund hat, dass es Klassiker geworden sind, aber es wäre ja langweilig, immer nur das Gleiche zu machen.

Wie steht ihr zueinander bzw. was haltet ihr von der Arbeit des anderen?

FG: Ich denke, Sven ist einer der besten „jungen“ Hörspielregisseure und -bearbeiter, die wir hierzulande haben. Wir treffen uns ab und an und quatschen über unsere Projekte oder geben gegenseitig Telefon- oder Mailfeedback zu unseren jüngsten Produktionen, das ist immer sehr befruchtend.

SS: Ich mag Franks Produktionen sehr, vor allem auch den Enthusiasmus, den er in seine Arbeit steckt und den man auch hört. Und er macht was er will - das finde ich auch gut. „Der Vampyr“ zum Beispiel ist reichlich unkonventionell, und gerade deshalb finde ich ihn besonders interessant. Auch ansonsten tauschen wir uns häufiger mal aus und haben einen guten Draht zueinander.

Sind gemeinsame Produktionen (also gemeinsames Schreiben, Produzieren, Aufnehmen) im Bereich des Möglichen oder wird es höchstens erneut dazu kommen, dass einer die Regie übernimmt und der andere spricht?

FG: Wer weiß? Geplant ist jedenfalls bisher nichts.

SS: Weiß ich gar nicht. Möglich ist alles, einfach mal abwarten …

Gibt es Produktionen bei der ihr mal gedacht habt „Mensch, der Stricker/Gustavus ist mir zuvor gekommen, das wollte ich doch machen!“?

FG: Das war bei „Die vergessene Welt“ beinah der Fall. Kurz vor der „Vampyr“-Produktion, erzählte ich Sven, daß ich „Lost world“ machen will, und er sagte, eben jenen Roman hätte er gerade von einem Verlag als potentiellen nächsten Stoff geschickt bekommen. Man entschied sich zum Glück dagegen, und so mache ich das Ding. Ansonsten gab es aber bisher keine Kollisionen.

SS: Ich wäre Frank beinahe bei „Lost World“ zuvorkommen, das hatte ein Verlag nämlich kurzzeitig bei sich auf der Liste. Dann haben wir uns aber doch für einen anderen Stoff entschieden, so dass Frank erstmal durchatmen konnte.

Welche Produktionen des anderen hättet ihr in der jetzt erhältlichen Form anders produziert? Welches Hörspiel oder Hörbuch hättet ihr anders inszeniert? Gibt es da welche oder seid ihr der Meinung, dass „Der Vampyr“ oder „Vor dem Frost“ (als Beispiele) bestens in Szene gesetzt worden sind?

FG: Also, ich bin bei Svens Hörspielen völlig schmerzfrei – ohne jedes „Popogelecke“. Ein paar Effekte, die ich hier und da anders gemacht hätte, klar, auch bei der Besetzung ist man sich nicht immer völlig einig, aber im Großen und Ganzen sind seine Hörspiele (vor allem „Vor dem Frost“) einfach gut!

SS: Ich glaube, jeder hätte immer etwas anders gemacht als der andere. Wenn dem nicht so wäre, wäre es ja letztlich vollkommen gleichgültig, wer der Regisseur ist. Die Geschmäcker sind im Detail nun mal verschieden. Das ändert aber nichts daran, dass ich den „Vampyr“ oder „Blackout“ zum Beispiel sehr gut finde.

Seid ihr euch in irgendeiner Form schon mal in die Quere gekommen und verzögerte sich dadurch die Produktion des anderen, z.B. durch einen Sprecher, den ihr beide haben wolltet, der aber nur für einen von euch zur Verfügung stand?

FG: Nein.

SS: Nein, da gab es noch keine Überschneidungen. Ich glaube, Jan (unser Musiker) hat damals gleich nach „Die Schatzinsel“ mit „Blackout“ weitergemacht, schloss also direkt an – wenn ich mich richtig erinnere. Das war aber die größte Überschneidung bislang.

Frank, während Sven auch Lesungen produziert, hast du bisher nur Hörspiele gemacht. Wird sich das auch mal ändern? „Der Vampyr“ war ja zunächst auch nur als Hörbuch angedacht, richtig?

FG: Richtig. Es sollten ursprünglich nur die gelesenen „Vampyr-Erzählungen“ als Überbrückung zum nächsten Hörspiel erscheinen, welches eine Byron-Polidori-Holmes-Watson-Vampir-Story geworden wäre (die ersten Szenen standen und stehen immer noch). Dann hat sich die „Vampyr“-Geschichte bei der Recherche selbständig gemacht und heraus kam der „Gespenstersommer“. Das ursprünglich geplante „Vampyr“-Hörbuch, gelesen von Joachim Tennstedt und Andreas Fröhlich, erscheint in diesen Tagen – das „Vampyr“-Hörspiel hat sich einfach dazwischen gemogelt. Aber auch für die Zukunft sind sowohl Ripper Records-Hörbücher als auch Hörbuchfremdregie immer mal wieder geplant (wie Sven, habe auch ich für andere Labels Regie geführt – es muß ja schließlich auch Geld verdient werden!).

Habt ihr beide noch Ziele und Wünsche, die ihr noch nicht erreicht habt? Denn so wie es scheint habt ihr so ziemlich alles gemacht, was man im Hörspielbereich machen kann.

FG: Nach drei Hörspielen und einer Lesung (im eigenen Verlag) kann ich nicht bestätigen, daß ich schon alles gemacht habe. Mir würden an die 50 Sachen einfallen, die ich hörspielmäßig gerne machen würde (na gut, mindestens 30) ...

SS: Klar habe ich noch viele Ziele und Wünsche, sonst müsste ich ja jetzt aufhören. Ich möchte zum Beispiel nach „Oskar und die Dame in Rosa“ und „Der Schimmelreiter“ noch mehr Rundfunkhörspiele inszenieren. Außerdem hätte ich gerne mal irgendwann einen großen Mehrteiler, der mich wirklich für einen langen Zeitraum beschäftigt. Und dann möchte ich endlich irgendwann mein erstes nicht adaptiertes sondern komplett selbst geschriebenes Hörspiel fertig stellen, das im Moment noch aus Zeitmangel permanent in der Warteschlange rotiert.

Sven, wie schaut es bei dir denn mal mit Gruselhörspielen aus oder ist das nur Franks Genre?

FG: Das ist gar nicht mein Genre!

Entschuldigung! ;)

SS: Ich weiß, dass das jetzt vielleicht nicht jeder so empfindet, aber für mich ist „Dracula“ eigentlich doch ein Gruselhörspiel. Sogar eines, auf das ich recht stolz bin. Insofern war ich in dem Genre ja schon. Das hat auch sehr viel Spaß gemacht, aber auf Dauer hätte ich eher keine so große Lust, den nächsten Dämon aus der Hölle zu holen. Da gibt’s ja auch gute Leute, die das machen.

Frank scheint mit Lübbe Audio ein vertriebliches Zuhause gefunden haben. Sven, wirst du dich auch irgendwann mal „niederlassen“ oder lieber weiterhin für alle möglichen Verlage und Label arbeiten?

SS: Ach, das ist schon gut so, wie es ist. Der Verlag, der mir am nächsten steht, ist natürlich schon der Hörverlag, aber auch mit den anderen Verlagen oder dem NDR verbindet mich sehr nette und kreative Bande. Das darf alles gerne so bleiben, wobei man natürlich wiederum nie weiß, wie sich etwas entwickelt.

Welche Hörspiele oder Hörbücher gönnt ihr euch denn gerne in eurer Freizeit?

FG: Wenn denn Zeit und Muße ist, gerne was aus dem Radio oder das, was man sich so zusammenkauft bzw. geschenkt bekommt. Zuletzt „Dracula“ (har har) und „Der menschliche Makel“. Ansonsten bin ich nicht genremäßig festgelegt.

SS: Mittlerweile nur noch wenige, muss ich gestehen. Wenn man den ganzen Tag Sprache hört, klingeln einem abends bzw. nachts sowieso die Ohren, da ist es schwer, sich noch auf andere Werke zu konzentrieren. Und wenn ich was höre, dann meistens Rundfunkproduktionen - auch, um dazu zu lernen. Zuletzt habe ich zum Beispiel „Duffy“ von Dan Kavanagh gehört, einen sehr witzigen und spannenden Krimi mit Axel Milberg; ich glaube der war von Leonhard Koppelmann. Und dann fand ich „Neununddreißigneunzig“ von Walter Adler sehr gelungen, das war mit Andreas Fröhlich in der Hauptrolle. Das letzte Nicht-Rundfunkhörspiel, das ich zu Ende gehört habe, war tatsächlich „Der Vampyr“.

Was steht als nächstes von euch beiden an Produktionen an?

FG: Bei mir oben erwähnte „Vergessene Welt“. Die Arbeit an Skript, Besetzung etc. läuft, Aufnahmen sollen im Frühjahr stattfinden, Produktion dann im Mai/Juni, wenn alles nach Plan läuft – aber wann tut es das schon?!?

SS: Im Moment stelle ich noch mit „Robinson Crusoe“ den nächsten Klassiker fertig, dann stehen drei Lesungen mit Konstantin Graudus, Ulrich Pleitgen und Andreas Fröhlich auf dem Programm, dann die fünf nächsten Agatha-Christie-Lesungen. Und schließlich kommt dann als nächstes Hörspiel der neue „Comissario Brunetti“ von Donna Leon. Das dauert aber noch, bis ich damit fertig bin.

Habt ihr noch ein paar Worte an eure Fans?

FG: Ab und an mal über den Tellerrand gucken, Leute! Ansonsten: Gerne so weitermachen!

SS: Ich finde, es lohnt sich immer, abseits der gewohnten Pfade zu stöbern und Neues zu entdecken. In diesem Sinne: Haltet die Ohren steif!

Die Links:
Ripper Records
Stimmart

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