Punktown Nr. 1
- Die Bibliothek der Leiden / Alles aus Liebe / Völlig vertiert -
(Lausch)

Captain Blitz urteilt:

Punktown ist dreckig, krank, kalt, voller Ungeziefer, sowohl tierischer, als auch menschlicher Natur. Dort zu überleben ist jeden Tag aufs Neue ein harter Kampf. In diesem Schmelztiegel treffen die unterschiedlichsten Charaktere und Kreaturen aufeinander, egal aus welchem Beruf oder Sonnensystem, Welten begegnen sich. Dass das nicht immer gut geht, dürfte klar sein und das wird an drei Schicksalen deutlich gemacht. Ob es der Profiler ist, der mit einer Bilderflut in seinem Kopf zu kämpfen hat, ein Künsterpaar, das sich mit einem Kunden rumschlagen muss oder das Einsatzkommando, das sich um einen ausserirdischen Tierhändler kümmern und diesen hinter Gittern bringen muss. In Punktown ist immer was los, diese Stadt schläft nie!

- Meinung -

Lausch startet ein neues Projekt und das hat es mal wieder in sich. Harte Stories aus dem fiktiven Punktown, voll von Action, Spannung, Sex and Crime. In der futuristischen Stadt ist alles möglich, man sollte als Hörer immer mit dem Schlimmsten rechnen, gute Nerven und einen starken Magen mitbringen, dann kommt man wunderbar durch diese Sammlung von Kurzgeschichten. Die drei Geschichten sind ziemlich unterschiedlich, was für Abwechslung sorgt und das Tempo ist relativ hoch, trotz einer eher lesungsartigen Bearbeitung. Hier hat Günter Merlau nämlich eine Form der Umsetzung gewählt, die sich zwischen Hörspiel und Lesung bewegt, vornehmlich aber eher in letzter Richtung geht. Mir wäre ein höherer Hörspielanteil zwar recht gewesen, doch die Form der Darbietung geht absolut in Ordnung. Inhaltlich wird hier also eine härtere Schiene gefahren, doch die Stories driften nie in stumpfsinniges Gemetzel ab, da hat Jeffrey Thomas den richtigen Mittelweg gewählt und Hörer sollten schon eine gewisse Affinität für Geschichten mitbringen, die in Richtung Cyberpunks und Shadowrun gehen. Dreckig, rotzig und faszinierend, das ist Punktown!

Wie gesagt, der Lesungscharakter überwiegt, aber immer wieder gibt es mal Hörspielszenen zu hören, in denen mehrere Sprecher miteinander agieren. Den Grossteil der ersten Geschichte bewältigt Bernd Hölscher, der in der dritten Geschichte noch eine Nebenrolle spricht. Er macht seine Sache exzellent, eine sehr überzeugende Darstellung, was aber auch für alle anderen gilt, die in "Die Bibliothek der Leiden" mitsprechen. Jürgen Holdorf, Günter Merlau, Heike Schrötter, Elga Schütz, Simona Pahl und Helmut Gentsch, sie alle liefern starke Arbeit ab, zusätzlich sprechen sie alle sehr "hart" und unterstreichen damit die kalte Atmosphäre dieser Reihe. In "Alles aus Liebe" zeigen Simona Pahl und Martin Schleiß in den Hauptrollen, was sie können und die Performances sind durch die Bank gut. Zwar muss man sich an Martin Schleiß´ Klang ein wenig gewöhnen, er klingt anfangs nicht sehr souverän, das legt sich aber wieder, sein leicht "schludriger" Ton passt gut zur Rolle. Weitere Aufmerksamkeit verdient auch Martin Prelle, er kommt hier wunderbar fies und schmierig rüber, diese Darbietung sollte man gehört haben. Die dritte Geschichte "Völlig vertiert" kommt mit der kleinsten Besetzung aus, hier macht Jan Spitzer den Grossteil der Arbeit und das macht er sehr ordentlich, auch wenn ich hier und da mal an seiner Aussprache verzweifelt bin und ihn nicht genau verstanden habe. Sagte er nun "Aalding" oder was soll das für ein Wort gewesen sein? Da wäre eine deutlichere Aussprache wünschenswert gewesen. Ihm stehen Gerrit Schmidt-Foss und Bernd Hölscher zur Seite, die locker das Niveau halten können.

Günter Merlau hat es sich nicht nehmen lassen und alle Geschichten komplett selber untermalt. Seine Handschrift ist deutlich zu vernehmen, die Art der Musik kommt dem geübten Lauscher sicherlich bekannt vor. Harte, kalte Beats, mal krachend, mal wabernd und diese Form der Untermalung bekommt man die gesamte Spielzeit über zu hören. Dazu natürlich auch Geräusche und Effekte, die wiederum den Hörspielcharakter aufleben lassen, doch auch davon darf es in Zukunft ruhig mehr geben. Die Titelmelodie ist ziemlich abgefahren, gleichzeitig aber auch absolut passend und "catchy", das ist schon ein kleiner Geniestreich.

Die Aufmachung ist klasse, die drei CDs kommen in einem Digipak daher und das Cover von Marc Robitzky kann man vom Stil her irgendwo zwischen H.R. Giger und Ted McKeever ansiedeln, düster, techno-organisch und einfach faszinierend.

Ein starker Start, der zwar hier und da ein wenig Luft nach oben andeutet, mehr Hörspielparts wären wünschenswert, sind aber kein Muss. Ob man diese Art der Umsetzung jetzt Hörstück nennen und so krampfhaft was Neues anpreisen will, sei dahingestellt, meiner Meinung nach handelt es sich hier um eine inszenierte Lesung. Vielleicht ist es auch nur ein dreckiger Hörbastard, ein fieses Hörprodukt, einfach Punktown! Wer sich gerne in dreckige Cyberpunktwelten begibt, der ist hier genau richtig!

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Lausch

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